Die Stadtwerke Hechingen planen ein deutschlandweit einmaliges Wärmenetz für ein Neubaugebiet, das 70 Prozent seines jährlichen Wärmebedarfs aus einer Solarthermieanlage mit Saisonalspeicher beziehen soll.

Den Rest soll eine Wärmepumpe liefern, die dem Untergrund über ein Erdsondenfeld Energie entzieht. Nur für den Extremfall steht ein Gas-Spitzenlastkessel in Reserve, der rechnerisch an den drei kältesten Tagen eines Jahres gebraucht würde. 463 Wohneinheiten seien in dem neuen Wohngebiet „Killberg IV“ künftig zu versorgen, berichtet Reinhold Dieringer, Geschäftsführer der Stadtwerke, der eine Machbarkeitsstudie für das Wärmenetz in Auftrag gegeben hat.

„Die Idee dafür ist in einer Bürgerwerkstatt entstanden. Wir haben dort den Auftrag erhalten, eine Wärmeversorgung möglichst CO2-frei und zu günstigen Kosten zu entwickeln“, sagt Dieringer. „Das System mit der 7000 Quadratmeter großen Solarthermieanlage und einem 18.000 Kubikmeter großen saisonalen Wärmespeicher hat sich dann in der Machbarkeitsstudie als die wirtschaftlichste Lösung herausgestellt.“

Mit einem zu erwartenden, stabilen Wärmepreis für Endkunden von 15,7 Cent pro Kilowattstunde (Mischpreis aus Grund- und Arbeitspreis inkl. MwSt.) überzeugte das Konzept auch den Gemeinderat. Gefördert wird diese Voruntersuchung zu 50 Prozent aus dem Programm „Wärmenetze 4.0“ des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). Bemerkenswert findet die Ergebnisse auch Dirk Mangold, Leiter des Steinbeis-Forschungsinstituts Solites, das die Machbarkeitsstudie gemeinsam mit der auf Erdwärmeanlagen spezialisierten Tewag GmbH erstellt. „Dass ein so hoher solarer Deckungsanteil von 70 Prozent sich tatsächlich bei streng ökonomischer Betrachtungsweise als die günstigste Lösung erweist, hat uns selbst ein wenig überrascht“, gesteht Mangold. Dies liege einerseits daran, dass ein Netz für solch ein Neubaugebiet mit einer niedrigen Vorlauftemperatur von maximal 70 Grad auskomme. Zum anderen habe das Votum der Bürgerschaft die Optionen eingeschränkt, so Mangold: „Die Aufgabe hieß: CO2-neutral und möglichst auch ohne Holz“.

Wenn die Hechinger Stadtwerke das Projekt realisieren, dann wäre es das erste solare Saisonalspeicherprojekt in Deutschland nach mehr als einem Jahrzehnt Pause. Zum Einsatz kommen soll in Hechingen erstmals für Deutschland ein kostengünstiger Erdbeckenspeicher nach dänischem Vorbild. Platz ist dafür auf einer Erddeponie nahe des geplanten Baugebietes. Dort soll an einem Hang ein Erdbecken ausgehoben und mit Spezialfolie ausgekleidet werden. Die Solarkollektoren werden an der Böschung der Deponie Platz finden (siehe Grafik).

Text: Guido Bröer
Foto: Stadtwerke Hechingen / Solites